DTU Leistungssporttag 2024
Vor einem Jahr an selber Stelle sprach, der nun ausgeschiedene Bundestrainer Strategie, Luis Delahaije in seinem Vortrag auf eine ganz eigene Art und Weise über die psychosozialen und physiologischen Prozesse im Training und Coaching. In diesem Vortrag empfahl er auch das Buch Antifragilität von Nassim Taleb, was mich selbst im letzten Jahr zu einigen Reflexionsprozessen animiert hat. Antifragilität ist wahrscheinlich für die meisten ein neuer Begriff. Der Begriff und das Konzept bringen frei interpretiert folgende Fähigkeit mit sich: Antifragilität ist die Fähigkeit aus niederschmetternden Rückschlägen (Katastrophen) Vorteile zu generieren, die man vorher bzw. ohne die Katastrophe nicht besaß. (Antifragilität hat laut Taleb bis heute keine anerkannte Definition). Der Unterschied zu Stabilität oder Resilienz liegt darin, dass man Katastrophen aushalten kann, ohne dass das eigene System zusammenbricht. Es kommt also keine positive Entwicklung durch das negative Ereignis zu Stande. Bei Antifragilität ist dies jedoch schon der Fall. Bevor Sie nun den Blog-Artikel weiterlesen, blicken Sie auf die Historie der deutschen Athleten im olympischen Triathlon bis 2008 zurück. Vielleicht fällt Ihnen bereits etwas auf…
Interne Analysen aus dem Olympischen Triathlon der DTU
Im ersten Vortrag referierte Chefbundestrainer Dr. Thomas Moeller über den letzten Olympia-Zyklus und das Abschneiden der deutschen Mannschaft bei den Spielen sowie im WTCS und Welt-Cup Ranking. Es ist nicht alles Gold was glänzt. So würde ich die Aussagen den Bundestrainer interpretieren. Zwar steht ganz oben, der Sieg im Mixed Team Relay, aber man ist sich auch bewusst, dass man nicht wieder in ein Tal der Tränen abrutschen will, wie nach dem Olympiasieg von Jan Frodeno – Stichwort Antifragilität. Aktuell steht die DTU so erfolgreich da wie noch nie zuvor in ihrer Geschichte, laut dem Präsidenten Prof. Dr. Martin Engelhart. Dieser wurde am Samstag auch in Saarbrücken zum Vizepräsidenten des DOSB gewählt. Dieser Erfolg ist jedoch nur weiterhin zu gewährleisten, wenn sich Triathlon Deutschland weiterhin um Nachwuchsarbeit bemüht und die nachfolgende Generation von Triathleten entsprechend ausbildet. Dies betont auch der Nachwuchsbundestrainer Frank Heimerdinger und resümiert etwas nüchterner, dass die deutschen Junioren und U23 Athleten international nicht konkurrenzfähig sind mit ein bis zwei Ausnahmen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass der Nachwuchsbericht positiver ausfiel als noch im Jahr zuvor. Wichtig zu betonen ist, dass wir in Deutschland wieder mehr Trainer benötigen die Basisarbeit in den Vereinen leisten, besonders mit Ausblick auf das Ganzstagsschulsystem 2026.
Bundestrainer Paratriathlon Tom Kosmehl referierte über den Aufbau seines Athleten Martin Schulz zu den Spielen und wie der Kader in Paris zusammenkam. Sehr interessant zu sehen, dass bei den Paralympics in Paris viele Ersttäter mit dabei waren, was zeigt, dass der Paratriathlon weiterwächst und der Triathlon zugänglicher für Menschen mit Behinderung wird. Insgesamt konnten 3 Medaillen bei den Spielen im Para-Triathlon für das deutsche Team gewonnen werden. Silber für den Debütanten Max Gelhaar, sowie 2x Bronze durch Martin Schulz und Anja Renner mit Guide Maria Paulig.
Im letzten Bericht von Seiten der DTU referierte der IAT Fachgruppenleiter Triathlon Jannik Seelhöfer über die Entwicklung der deutschen Athleten von statistischer Seite aus und bestätigt damit auch empirisch den Aufwärtstrend. Allerdings war auch in seinem Vortrag das Sprichwort zu erkennen, es ist nicht alles Gold was glänzt, da gerade in den Laufumfängen einiger NK-Athleten wohl noch Potential steckt, was vermutlich auf eine zu geringe Belastungsverträglichkeit zurückzuführen ist. Dies untermauert auch die Argumentation des Bundestrainer-Nachwuchs, dass zu wenig lockere Umfänge trainiert werden und schon zu viel mit Intensitäten gearbeitet wird.
Coaching und Mentale Gesundheit im Spitzensport
Am Nachmittag, dem 2. Block des Leistungssporttages war das große Thema Coaching und Mentale Gesundheit. Es referierten Marion Sulprizio von der DSHS Köln zum Thema mentale Gesundheit im Spitzensport. Vor Depressionen, Essstörungen, Sucht oder anderen psychische Erkrankungen sind auch absolute Topathleten nicht gefeit. Sportliche Größen wie Michael Phelps, Sven Hannawald oder Simone Biles stehen bzw. standen unter enormen Druck (sich selbst aber auch anderen gegenüber) und damit umzugehen auf psychischer Ebene ist neben der extrem fordernden körperlichen Belastung logischerweise nicht selbstverständlich. Sport ist de facto keine Prävention gegen Burn-Out. Es ist die Art und Weise wie ich den Sport betreibe, die darüber entscheidet, ob ich einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen ausgesetzt bin. Marion Sulprizio verweist auf das Netzwerk Mental Gestärkt – psychische Gesundheit im Leistungssport, für weitere Recherche oder Hilfe zu diesem Thema.
Ein weiterer Vortrag mit dem Thema Burn-Out-Prophylaxe für Trainer*innen kam von dem Sportpsychologen Christian Hoverath. Bei Burn-Out spielt das Stresslevel eine entscheidende Rolle. Dabei unterscheidet unser Körper nicht ob es um psychischen (emotional/kognitiv etc.) oder physischen Stress (Training / zu wenig Schlaf etc.) geht. Um mit seinen Stressoren umzugehen, egal ob positiv oder negativ, sollte man sich bewusst sein in welchem Kontext diese auftreten, welchen Faktor sie einnehmen und mit welchen Coping-Strategien ich diesen begegnen kann. Am Ende ist ein Burn-Out meist multi-faktoriell und wird z.B. hervorgerufen auf Grund von zu hohen Leistungserwartungen, Rollenkonflikten, Persönlichkeitseigenschaften, Unsicherheit und Sorgen und nicht zu vergessen der Einfluss digitaler Medien, ganz besonders des Smartphones. Unsere digitalisierte Umwelt macht es uns zum einen möglich Multitasking zu betreiben, zum anderen fällt es uns aber immer schwerer abzuschalten und bewusst über eine längere Zeit vertieft an einer Sache zu arbeiten. Solche Störfaktoren sollte man ganz bewusst abschalten. Wichtig ist hier, wie beim Training auch, das richtige Gleichgewicht aus stressbedingter Belastung und Erholung zu finden, denn Stressresistenz ist trainierbar. Das vermeintlich schwierige mit den Pausen ist jedoch, dass wir eine Pause erst spüren, wenn es schon zu spät ist. Es ist also wichtig kleine und häufige Pausen zu machen und diese auch bewusst einzuplanen.
Interessant war auch einen Vortrag zu dem Thema aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive einmal näher gebracht zu bekommen durch Prof. Kühnle der mit seinem Vortrag Sportkarrieren am Scheideweg: Zur Soziologie der Depression im Spitzensport referierte. Abgerundet wurde das Thema durch einen Erfahrungsbericht von dem ehemaligen Nationalkaderathleten Jonas Breinlinger, der seine ganz persönliche Perspektive auf psychologischen Herausforderungen im Spitzensport mit den lauschenden Trainern teilte und dafür sensibilisierte.
Der zweite Themenblock verdeutlicht sehr gut, dass wir als Trainer mit Menschen arbeiten und die uns dabei anvertrauten Athleten immer mehr sind als deren Daten in einer Trainingsplattform oder deren Wettkampfergebnisse. Es gehört sie viel Mut dazu als Trainer für diese sozialen und auch emotionalen Aspekte in der Trainer-Athleten Beziehung offen zu sein, da sie uns auch bewegen beschäftigen und evtl. auch belasten können. Einen Plan dagegen zu schreiben, kann eine sehe nüchterne und sachliche Angelegenheit sein, jedoch betten die guten Pläne auch die Persönlichkeit eines Athleten mit ein.
Podiumsdiskussion zum Thema mentale Gesundheit im Spitzensport
Energieverfügbarkeit, Nahrungsergänzungsmittel (NEM) und Doping
Schon bei meiner A-Trainerausbildung durfte ich Prof. Dr. Karsten Köhler von der TU München zu diesem Thema lauschen. Dieses Mal aber wieder mit neuen Aspekten gefüttert, wie zum Beispiel, dass kostspieliger Verfahren zur Messung des Energieverbrauchs wie zum Beispiels mittels Wassermarkierung, nicht unbedingt benötigt wird. Es ist auch auf praktikable Weise sehr gut möglich zu berechnen wie viel kcal Athleten zuführen sollten. Für meine betreuten Athleten werde ich zu diesem Thema einen informativen internen Blog-Artikel noch zusätzlich verfassen.
Im Anschluss ergänzte der IAT Mitarbeiter Kastner wissenschaftliche Befunde zur möglichen Leistungssteigerung unter anderem mittels Kreatin, Bi-Karb, Koffein, Nitrat oder Ketone. Vermutlich werden jetzt einige an dieser Stelle hoffen, dass wenn ich alle Supplemente einfach einschmeiße, meine Leistung auch um ca. 10% verbessert wird. Ersten, so funktioniert unser Körper nicht und zweitens, einen wissenschaftlichen Konsens gibt es bisher nur zu Koffein als leistungsförderndes Supplement. Hier wird ausdrücklich betont, dass man spezielle Koffein Präparate nehmen soll und keinen echten Kaffee, da die Koffein-Konzentration stark differieren kann von Packung zu Packung. Weiterhin für den Ausdauersport interessant ist Nitrat, dass die meisten aus der Roten Beete sicherlich kennen. Nitrat wird umgewandelt in Stickstoffmonoxid, was den O2-Transport zur Muskulatur verbessert. Weiterhin soll Nitrat die mitochondriale Atmung und Mitochondrienbiogenese verbessern. Evidenzen finden sich bei Ausdauerbelastungen von 4-30min und intensiven intermittierenden Belastungen. Das in der letzter Zeit viel diskutierte Natrium-Bikarbonat sollte grundsätzlich kritisch und individuell betrachtet werden. Natrium-Bikarbonat puffert die Wasserstoffionen im Blut ab und ist daher möglichweise sinnvoll bei laktaziden hochintensiven Belastungen von 1 bis 10 Minuten. Es werden 0,2 bis 0,4g/kg Körpergewicht empfohlen die man im Idealfall 1 bis 2,5 Std. vor dem Wettkampf einnimmt (eigentlich nicht die typische Ironman-Belastung), zusammen mit einer KH-reichen Mahlzeit. Es wird empfohlen das Bi-Karb in Form von Mini-Tabletten mit Gels zu nehmen für eine bessere Verträglichkeit. Das Risiko Magen-Darm-Beschwerden zu bekommen ist bei diesem NEM sehr hoch und es kann unter anderem zu akutem Durchfall, Magenkrämpfen und Erbrechen kommen.
NEM und neues aus dem Anti-Doping Bereich stellte der Mitarbeiter der NADA Anthony Schwarz vor. Änderungen für 2024/25 sind, dass das Spenden von Blut und Blutbestandteilen in akkreditierten Spendenzentren nun auch bei Anwendung einer Apherese erlaubt ist. Weiterhin liegt nun die maximale Dosis von Formeterol (enthalten in Asthmasprays) bei 54 Mikrogramm über 24 Stunden und bei 36 Mikrogramm über 12 Stunden. Außerdem wurde daran erinnert, dass die Teillegalisierung von Cannabis im deutschen Strafrecht zwar gilt aber nicht im SPORTRECHT! Cannabinoide sind weiterhin auf der Verbotsliste der WADA! Bitte beachten Sie, dass auch vermeintlich saubere NEM unbewusst verunreinigt sein können. Es wird demnächst eine App (Simplements) von der NADA zur Verfügung gestellt, die über Dopingfallen im NEM-Bereich aufklärt.
Daran anschließend erörterte Prof. Kühnle in einer Konstellationsanalyse das Thema Trainer*innen und Doping. Auch sehr interessant war der Beitrag des BR-Journalisten Lukas Bergmann der nochmals Hintergründe zur seiner Doping Reportage Toxischer Ehrgeiz – Doping im Amateursport beleuchtet, warum Athleten wie „Jens“ zu Dopingsubtanzen greifen. Erschreckend war zu hören, dass es um einen Athleten in der Reportage ging, der nicht mal ansatzweise um Podiumsplätze in seiner AK kämpft. Ich empfehle jedem die BR-Reportage anzuschauen. Um Doping effektiv zu bekämpfen, bleibt uns nur eine Möglichkeit: Wissen vermitteln und Aufklärungsarbeit zu leisten.
Podiumsdiskussion zum Thema NEM und Doping im Sport
Leistungsoptimierung
Nun schließt sich der Kreis mit meiner zum Anfang angedeuteten Bedeutung der Antifragilität. Louis Delhaije gab spannenden Einblicke in seine Arbeit mit Weltklasse Athleten und gab seinen Vortrag den Titel: Panta Rhei – Mann schwimmt nie zweimal im gleichen Fluss. Diese Überschrift spielt zum einen auf die Seine in Paris an, die das Trainer Team der DTU bis ins kleinste Detail analysiert hatte, aber die Erkenntnis daraus war auch: „es ist trotzdem immer wieder anderes Wasser…“ Es war anderes Wasser als Laura Lindemann das Testevent 2023 als zweitplatzierte beendete. Es ist anders, weil die Athleten andere Athleten geworden sind als sie es noch vor einem Jahr waren. Es ist anders, weil man den Wettbewerb nochmals auf Grund der Wasserqualität verschoben hat usw. Ich würde sagen es ist immer anders, und das gibt mir als Trainer zum einen auch eine Art von Gelassenheit zum anderen aber auch gleichzeitig die Motivation mich auf andere / ähnliche Situationen immer wieder neu vorzubereiten und dazu zulernen. Neben diesen philosophischen Aspekten stellte Delahaije wieder ernüchtern und sehr amüsierend komplizierte Trainings-Methodiken sehr einfach dar und erläuterte, dass für ihn das wichtigste für die Leistungsfähigkeit ist: „Du darfst nicht müde werden.“ Dieses Nicht-Müde-Werden hat vor allem viel mit der 1. Laktatschwelle zu tun und nicht mit der FTP oder anaeroben Schwelle.
Der vorletzte Vortrag wurde leider dann oder vielleicht auch zum Glück zum letzten Vortrag. In einem Gespräch mit dem DSV Freiwassertrainer Konstantin Depmayer kitzelte der Moderator und DTU Trainer Daniel Unger interessante Ausbildungsaspekte zum Schwimmen aus dem Experten heraus. Interessant dürfte für viele Triathleten sein, dass die Freiwasserschwimmer 99% ihres Trainings im Becken absolvieren, nur 2 bis 3 Mal im Neo geschwommen wird vor Wettkämpfen, in denen der Neo getragen werden muss, und dass Athletik und Mobilisation unfassbar wichtige Voraussetzungen sind für das umfangsbetonte Training in zyklischen Sportarten. Fassen Sie das bitte mit einer gewissen Portion Sarkasmus auf, wenn sie sich nun ertappt fühlen und zugeben, dass ihr Athletiktraining doch etwas unterrepräsentiert ist.
Im letzten und mit Spannung erwarteten Vortrag sollte der Chef-Trainer der Britischen Triathlon Föderation Rick Velati über The British Way referieren. Leider ist sein Flug wetterbedingt gecancelt worden und auch die live-Übertragung nach Hessen hat nicht ausreichend funktioniert. Nun aber wieder ein Hoch auch die Antifragilität. Aus diesem „Unglück“ heraus entstand eine Videoaufzeichnung mit einer Dauer von 2 Stunden und 20 Minuten die ausführlicher und interessanter nicht hätte sein können und in diesem Detail nicht in den Leistungssporttag hineingepasst hätte.
Abschließend kann ich resümieren, dass ich wieder sehr viel Bestätigung in meinem Trainerhandeln bekommen habe und auch wieder neue Bausteine mit aufnehmen konnte. Die Kaffeepausen waren natürlich wie immer viel zu kurz, weil man nicht die Zeit hatte sich mit allen interessanten Leuten auszutauschen und leider findet der nächste Leistungssporttag auch erst wieder 2025 statt. Danke an den Bundestrainer Bildung und Wissenschaft Dr. Torben Hoffmeister für die gelungene Weiterbildung.
Veröffentlicht am 18.12.2024
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